Antipasti und die Fischplatte vom anderen Tisch

Ein wunderschönes Restaurant am ligurischen Meer und ich wusste bereits zuvor, was ich als Vorspeise bestellen werden: Die Antipasti-Variation des Chefs. Auch diesmal war ich wiederum glücklich, als meine „Antipasti“ serviert wurde.
 
So dachte ich bis am Nachbartisch eine Fischplatte mit diversen Meeresfrüchten serviert wurde. Sie schien reichhaltiger als mein Vorspeisenteller! Und in dieser speziellen Mischung zwischen sich Mitfreuen für die anderen am Nachbartisch schwang unvermeidlich auch ein wenig „Neid“ mit bzw. schlich sich bei mir die Frage ein: hätte ich nicht besser diese Fischplatte bestellen sollen? Ich realisierte nun plötzlich, dass ich fast enttäuscht war von meiner Vorspeisenwahl. Warum war das so?
 
Nach Verhandlungen erlebt man manchmal ähnliches: man schliesst einen Deal ab und ist ganz zufrieden mit dem Resultat. Bis man den Deal mit anderen Personen bespricht oder vom Verhandlungsergebnis von anderen Parteien erfährt. Und plötzlich findet man den eigenen Deal nicht mehr so gelungen (sog. antizipierter Reue)
 
Hatte ich in meiner Vorfreude (sog. Wissen aus Erfahrung) die von mir bestellte Vorspeise gewählt, ohne zu prüfen, was die Tagesspezialitäten waren. Also durch fehlendes aktives Zuhören meine Chance vertan? Oder hätte ich die Fischplatte trotz Kenntnis nicht bestellt, weil ich lieber meinen Antipasti-Teller aus Tradition bestellt hätte und deshalb diese Fischplatte gar nicht meinen wirklichen Bedürfnissen entsprochen hat? Vielleicht hatte der Nachbar auch ein Mehrfaches meines Vorspeisetellers bezahlt und ich das viel besser Preis-Leistungsverhältnis erzielt. Nur schon die (nichtwissende) Vermutung, dass der Nachbar sicherlich mehr bezahlt hat als ich, liess meinen Blick wieder glücklich auf meine Antipasti schwenken.
 
Es ist wie bei allen Verhandlungen, man kann nicht einfach ohne weiteres das Resultat der eigenen Verhandlung mit dem Verhandlungsergebnis von anderen Personen vergleichen, insbesondere als man selten alle Parameter kennt, auch nicht diejenigen von den Verhandlungsresultaten von Dritten. Nur schon leicht andere (innere) Interessen oder äussere Faktoren des Einzelfalles (z.B. Angebot, Preis) verändern das Verhandlungsresultat bzw. die Sichtweise darauf oft.
 
Es macht Sinn Verhandlungsresultate zu analysieren, um im nächsten Mal besser zu verhandeln. Ebenso wichtig ist es –  wenn man einen Deal geschlossen hat – mit diesem grundsätzlich zufrieden sein, weil jeder Deal in der Regel mindestens in dem Moment, als man ihn abgeschlossen hat, der Passende war. Eine Betrachtung im Nachhinein birgt immer die Gefahr, den Deal unter Aspekten zu betrachten, welche man bei Abschluss des Deals noch nicht kannte oder mit unwissenden Annahmen vergleicht.
 
Und mit diesen Gedankenüberlegungen habe ich dann meine Antipastivariation des Chefs wieder in vollen Zügen genossen !